Der mehr und mehr dem Cäsarenwahn verfallende Präsident der Türkischen Republik, Recep Tayyip Erdoğan, hat einem in Europa längst erledigten Thema erneut Aktualität verschafft: Es geht um die Todesstrafe.
Totalitäre und/oder autoritäre Regime greifen gerne zu diesem Mittel, um sich tatsächlicher oder vermeintlicher Gegner dauerhaft zu entledigen. Für sie ist die Todesstrafe das sicherste Mittel, um sicherzustellen, einen Widersacher unwiderruflich auszuschalten. Einweisungen in psychiatrische Anstalten oder die Verhängung von Gefängnisstrafen, bergen für die Machtelite immerhin das Risiko, zu einem späteren Zeitpunkt erneut mit unliebsamen Zeitgenossen konfrontiert zu werden. Der Henker schafft diese Gefahr zuverlässig aus der Welt.
Es liegt auf der Hand, dass die Todesstrafe – und sei es nur als latente Drohung – ein brandgefährliches Instrument zur Unterdrückung jeder politischen Opposition darstellt, wenn ihre Anwendung nicht auf aggressive Gewalttaten mit Todesfolge beschränkt bleibt. Die Türkei, nach Ansicht führender Politiker der USA und Eurolands eine lupenreine Demokratie, schickt sich eben an, die Bestätigung dafür zu liefern, dass demokratisch verfasste Staaten vor dem Einsatz dieses Mittels zur Durchsetzung politischer Interessen nicht zurückschrecken. Immerhin beruft sich der demokratisch gewählte türkische Präsident bei seiner Forderung nach einer Wiedereinführung der Todesstrafe, auf den Willen der Mehrheit der Stimmberechtigten. Frage an aufrechte Demokraten und damit Verfechter der Mehrheitsdiktatur: Sollte es möglich sein, dass die geheiligte Mehrheit gelegentlich irrt? Und – falls ja – wer sollte, auf wessen Ratschluss, zu deren Vormund bestellt werden? Und wer kontrolliert die Kontrolleure?
Wie zur Bestätigung Erdoğans, wurde bei einer eben inszenierten Massenveranstaltung seiner Anhänger in Köln, von den Demonstranten die Einführung der Todesstrafe (einstweilen nur in der Türkei!) verlangt. Der Sultan und seiner Anhänger haben dabei aber nicht solche Personen im Visier, die anderen Menschen vorsätzlich (und nicht in Zuge einer Selbstverteidigungshandlung) das Leben genommen haben. Sie haben vielmehr politische Widersacher im Sinn, an deren Händen kein Blut kleben muss. Ihr Motiv ist nicht die Forderung nach Sühne für eine Straftat, sondern die Zementierung politischer Herrschaft. Das reicht ihnen zur Rechtfertigung der Anwendung des ultimativen Mittels staatlicher Zwangsgewalt.
Zweifellos besteht in Europa (derzeit noch) Konsens darüber, dass die Anwendung tödlicher Gewalt gegen Menschen mit einer von der Linie der Regierung abweichenden Weltanschauung nicht in Frage kommt. Ausnahmen bilden allenfalls Vertreter dubioser Linksparteien, die sich als Erben und Nachfolger verbrecherischer Regime gerieren und allerlei Grünfaschisten, die gerne auch „Klimaleugner“ und andere Dissidenten baumeln sehen wollen. Selbst die im Machtrausch befindlichen Mitglieder des europäischen Politbüros, die stets vehement für den Beitritt der Türkei zur EU eintreten, sind durch die aktuellen Ereignisse bei ihrem liebsten Bündnispartner diesseits des Atlantiks, plötzlich peinlich berührt.
Von der Frage des Einsatzes tödlicher Gewalt zur Beseitigung politischer Abweichler, ist die „Todesstrafe“ im Gefolge eines Kapitalverbrechens grundsätzlich zu unterscheiden. Das Wort Todesstrafe wurde übrigens nicht grundlos in Anführungszeichen gesetzt.
Zur Erläuterung: In einem freiheitlichen, rechtsbasierten Gemeinwesen kann kein Zweifel daran bestehen, dass Wiedergutmachung, Tatausgleich und die Schadlosstellung von Verbrechensopfern im Zentrum der Strafrechtspraxis zu stehen haben. Dass ein gefasster Dieb seine Beute an den rechtmäßigen Eigentümer zurückzustellen hat, sollte selbst im sozialistischen Wohlfahrtsstaat unsere Tage unstrittig sein (auch wenn der Dieb sich um die „soziale Umverteilung“ verdient macht). Dem Dieb seine Beute wieder abzunehmen, ist indes keine Strafe. Diese könnte etwa darin bestehen, dass der Täter dazu verurteilt wird, ein Mehrfaches des Beutewertes zu leisten – ob an den Geschädigten oder an den Staat, ist im Hinblick auf die hier behandelte Problematik belanglos. Tatausgleich und Strafe sind voneinander zu unterscheiden – das ist der entscheidende Punkt.
Wie verhält es sich nun bei einem Kapitalverbrechen? Wie der Dieb, so hat auch der Mörder etwas gestohlen – nämlich ein Leben. Wird er gefasst, hat er – siehe oben – die Beute zurückzuerstatten. Da er das gestohlene Leben nicht wieder herausgeben kann, muss er mit seinem eigenen bezahlen – so einfach und so logisch ist das. Wohlgemerkt: Einem Mörder das Leben zu nehmen, hat mit Strafe nichts zu tun. Dabei geht es nur um den Tatausgleich. Eine Strafe wäre es, würde man ihn zuvor auspeitschen oder anderweitig quälen. Wenn an diesem alttestamentarischen Prinzip des „Auge um Auge“ irgendetwas stört, dann nur das: Der Mörder, dem nichts weiter als sein Leben abverlangt wird, kommt straffrei davon.
Kritiker der „Todesstrafe“ werden vermutlich nie auf den Gedanken gekommen sein, dass die Exekution eines Mörders keine Strafe, sondern Tatausgleich bedeutet! Ein vom Mörder mutwillig verursachtes Ungleichgewicht wird durch seinen Tod ausgeglichen.
Ein „funktionalistisches“ Argument kommt hinzu: In der gegenwärtig herrschenden Praxis der sich so ungemein fortschrittlich dünkenden Alten Welt, ist die Verhöhnung von Verbrechensopfern und deren Hinterbliebenen obligat. Alles Sinnen und Trachten der Politik, der Gerichte und der veröffentlichten Meinung richtet sich immer und ausschließlich auf das Schicksal des Täters, während sich um die Opfer (die Hinterbliebenen) keiner auch nur im Geringsten schert. Damit nicht genug, wird den vom Gewaltverbrecher zu Witwen und Waisen gemachten Hinterbliebenen nicht nur die Genugtuung vorenthalten, den Mörder sterben zu sehen, sondern sie werden in ihrer Eigenschaft als Steuerzahler zu allem Überfluss auch noch dazu genötigt, für die Unterbringung, Verköstigung und Bewachung des Täters aufzukommen. Das Mordopfer sieht die Sonne nie mehr aufgehen; Seine Erben müssen indes Frondienste dafür leisten, dass dem Täter dieser Genuss ja nicht abhandenkommt. Damit setzt der Staat dem vom Täter gesetzten Unrecht den blanken Hohn hinzu. Das hat mit Humanismus und Fortschritt ebenso wenig zu tun wie mit Recht und Gerechtigkeit! Der europäische „Rechtsstaat“ – ein Oxymoron.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Hier wird weder für die Selbst- oder Lynchjustiz noch für die Legitimierung von privat geführten Rachefeldzügen plädiert. Selbstverständlich sind Verfahren von unabhängigen Gerichten und nicht von Opferangehörigen zu führen. Allerdings ist eine Debatte über die Frage längst überfällig, weshalb die gängige Rechtspraxis sich ausschließlich mit den Tätern beschäftigt und die Interessen von Opfern und deren Angehörigen vollständig ausblendet!
Anstatt Tätern ein sorgenfreies Leben auf Kosten der Erben ihrer Opfer zu ermöglichen, sollte das justizielle Augenmerk vielmehr darauf gerichtet werden, den Hinterbliebenen Genugtuung zu verschaffen. Sie sind in die Entscheidung über die Strafbemessung (nicht in die Urteilsfindung) einzubinden. Diese muss nicht unbedingt auf den Tod des Täters hinauslaufen, falls sich die Erben des Mordopfers anders entscheiden (technische Fragen im Falle konkurrierender Vorstellungen mehrerer Rechtsnachfolger sind gesondert zu klären). Schließlich ist nicht jeder Täter mittellos. Die Bezahlung eines „Blutgeldes“ – also eine materielle Ersatzleistung an den oder die Opferangehörigen, wie sie in einigen germanischen Kulturen des Mittelalters üblich war – ist eine außerordentlich sinnvolle Variante der Wiedergutmachung.
Zwecks Vermeidung nicht wieder gutzumachender Justizirrtümer, sind allerdings nur solche Täter zu exekutieren, deren Schuld zweifelsfrei feststeht – wie etwa im Falle von Timothy McVeigh in den USA (der tatsächlich hingerichtet wurde) oder Anders Breivik in Norwegen.
Dass sich die Elite unserer vermeintlich hochstehenden Zivilisation unentwegt den Kopf darüber zerbricht, mit welcher Art von Glacéhandschuhen übelste Gewalttäter angefasst werden sollen, während man deren Opfer keines Gedankens würdigt, ist kein Ausweis einer hochstehenden Kultur, sondern vielmehr ein Symptom höchster Dekadenz.
Angemessene Vergeltung („Tit for Tat“) ist eine der Spieletheorie entstammende, sehr erfolgreiche Strategie. Warum sollte sie nicht auch im Strafrecht Anwendung finden?
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Ing. Andreas Tögel
Mittelstandsprecher