Die Ultra-Nationalisten


Gastkommentar
Prim. em. Dr. Marcus T. Franz
https://www.thedailyfranz.at

Das letzte, was wir brauchen, ist eine freiwillige Verzwergung. Nationale Souveränität, wie sie von manchen in der Politik beschworen wird, ist im 21. Jahrhundert eine Illusion. Jedenfalls für europäische Staaten. Jeder europäische Staat ist im Weltmaßstab ein Kleinstaat.“ 

Das sagte niemand geringerer als der österreichische Bundespräsident Van der Bellen anlässlich eines Meetings in Wien, das von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik organisiert wurde. Auch der deutsche und der slowakische Präsident waren anwesend.

Ein Affront der Sonderklasse

Dass die Worte Van der Bellens eine Ungeheuerlichkeit und einen Affront gegen den souveränen österreichischen Staat und sein Volk darstellen, braucht man nicht näher zu erklären. Wenn ein Staatsoberhaupt die Souveränität von Staaten als Illusion bezeichnet – ist er dann als oberstes Organ des Staates nicht ebenfalls eine Illusion? In der psychologischen Fachsprache wird die Illusion auch als Verkennung der Realität definiert. Man muss sich fragen, ob jemand mit einer solchen Einstellung, die ganz offensichtlich auf Verkennungen, zumindest aber auf persönlichen Miss-Interpretaionen der staatlichen Definitionen, der Pflichten seines eigenen Amtes und generell seiner Aufgaben beruht, dann überhaupt Bundespräsident sein kann?

Die Vereinigten Staaten von Europa

Aber gehen wir ins Grundsätzliche: Die Motivation und die politischen Ziele Van der Bellens sind schon lange bekannt. Dem Bundespräsidenten ist die Schaffung des europäische Gemeinschaftsstaates (die Vereinigten Staaten von Europa, VES) seit jeher ein Anliegen, er sieht die Zukunft Europas nur in einem kompletten Zusammenschluss aller EU-Staaten mit allen Konsequenzen. Wenn er von „Verzwergung“ redet, meint er damit verächtlich die einzelnen Nationen, die in und aus sich selber die Zukunft erblicken und entwicklen wollen.

Auch wenn es zum Oberhaupt eines souveränen Staates nicht passt und seine Bestimmung im Grunde konterkariert, kann man natürlich diese politischen Ziele vertreten. Allerdings muss man sich dann auf den Zahn fühlen lassen: Es ist nämlich kein intellektuell redliches Verhalten, auf der einen Seite den „Nationalismus“ zu kritisieren und auf der anderen Seite den Superstaat Europa zu fordern. Denn was wären die Vereinigten Staaten von Europa (VES)  anderes als eine riesenhafte Nation, die alle Merkmale einer national orientierten Großmacht besitzen würde, ja geradezu besitzen müsste?

Die Super-Nation

Europa als völlig vereinigter Koloss muss eine klare Identitätspolitik betreiben, es muss ein schlagkräftiges Heer besitzen, es muss eine gemeinsame Wirtschaftspolitik betreiben und es muss dichte Grenzen haben, die auch verteidigt werden. Die Super-Nation namens VES würde weltpolitisch ihre Interessen vertreten müssen und mit den großen Playern USA, China und Russland in Konkurrenz treten – und das durchaus auch konflikthaft. Es kann ja niemand ernsthaft glauben, dass eine „Nation Europa“ ein weltweit akklamiertes Staatengebilde werden könnte, dem man global mit Freundlichkeit begegnet. Die VES würde aussenpolitisch als Nation und Machtfaktor gesehen werden. Diese Ergebnisse sagt keiner der Europa-Fans dazu, wenn die hehren Worte von der totalen Vereinigung geschwungen werden.

Macht und Unterdrückung

Weiters verschweigen post-trotzkistische Ideologen wie Van der Bellen, dass die Vereinigung Europas nur mit einer Unterdrückung und Abschleifung der verschiedenen gewachsenen Kulturen unseres Kontinents gelingen kann. Man muss ja im Falle der totalen Vereinigung und der Demontage unserer einzelnen staatlichen Souveränitäten solch unterschiedliche Nationen wie Finnen und Italiener oder Schweden und Ungarn unter ein gemeinsames Joch schicken. Das kann letztlich nur mit Druck und einer gewissen Gewalt geschehen.

Die Wölfe im Schafspelz

Es stellt sich also heraus, dass gerade jene, die so modern vom Internationalismus und der Vereinigung schwafeln, in Wirklichkeit die schlimmsten Ultra-Nationalisten sind, wenn sie vom „gemeinsamen und grenzenlosen Europa“ reden. Ihr nationalistischer Rahmen ist eben nur viel größer und wuchtiger als jener vielfältige Patriotismus, den die einzelnen Völker und Nationen Europas als ihr natürliches Recht und ihre sinnvolle politische Aufgabe sehen. Der paneuropäische Nationalismus, der im Kleid der „Vereinigung“ daherkommt,  muss daher wegen seiner potenziellen und antidemokratischen, die Eigenständigkeit der Länder zerstörenden Auswirkungen strikt abgelehnt und bekämpft werden.