Die Sozialisten und ihr Marktverständnis

Die Arbeiterkammer, ihres Zeichens Zwillingsbruder der SPÖ, beklagt die angeblich „überhöhten Preise“, die von österreichischen Lebensmitteleinzelhändlern (im Vergleich zu denen in Deutschland) verlangt werden. Als Konsequenz fordern die Sozialisten bei den laufenden Verhandlungen über ein „Konjunkturpaket“, die Einführung einer „Inflationsbremse“ in diesem Warensegment.

Denn Nahrungsmittel, so das Argument, gehören zum Grundbedarf der Menschen und müssen daher „leistbar“ sein. Genau wie das Wohnen übrigens. Dass die Arbeiterkammer an einem Kampf gegen den u. a. durch die Gemeinde Wien verursachten Preisauftrieb bei den Wohnungsbetriebskosten (dank massiver Gebührenerhöhungen für die kommunalen Dienste) keinerlei Interesse zeigt, hat bestimmt nichts damit zu tun, dass sie den Wiener Parteifreunden nicht wehtun will…

Nach den Vorstellungen der um die Kaufkraft ihrer Klienten besorgten Genossen, sollen „marktbeherrschende“ Lebensmittelhändler künftig ihre Kalkulation offenlegen und begründen müssen. Eine wunderbare Idee, die zweifellos ausbaufähig ist. Schließlich ist in unseren Breiten auch ohne Bekleidung nicht leicht zu überleben. Warum also auf halbem Wege Halt machen und nicht auch die Kalkulation von Textilhändlern unter die Lupe nehmen? Und, wenn wir schon dabei sind: Da ohne Mobilität schwerlich Einkommen zu erzielen sind, wäre es nur recht und billig, auch die Preisgestaltung von Kraftfahrzeug- und Treibstoffherstellern und Transportdienstleistungsanbietern unter staatliche Aufsicht zu stellen. Wo kämen wir denn hin, wenn man sich auf undurchsichtige Marktmechanismen verlassen wollte, die sich jeder obrigkeitlicher Kontrolle entziehen? Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, das wusste schon der alte Lenin. Wer wäre eher dazu berufen, die „Rechtmäßigkeit“ einer Kalkulation zu kontrollieren, als ein Staatskommissar?

Der Anspruch, Preise staatlich kontrollieren und am Ende diktieren zu wollen, ist ein so alter Hut, dass es sich kaum lohnt, darüber viele Worte zu verlieren. Es ist ein eitles Unterfangen, das, egal worum auch immer es geht, niemals funktioniert. Besser: Dessen unbeabsichtigte Nebenwirkungen stets mehr schaden, als dem intendierten Ziel gedient ist. Das Politbüro wird es auch unter Einsatz der leistungsfähigsten Computer der Welt nicht schaffen, das in Marktpreisen zum Ausdruck kommende Wissen aller Wirtschaftsakteure zu ersetzen und „bessere“ Preise zu finden.

Etwas anderes ist bemerkenswert: Dass eine sozialistische Organisation die „marktbeherrschende“ Stellung einiger weniger Einzelhandelsketten beklagt. Das entbehrt insofern nicht der Ironie, als es nämlich ganz vordringlich sozialistischer Regulierungswut zu verdanken ist, dass es kaum noch kleine Lebensmitteleinzelhändler gibt. Denn Linke haben eine Vorliebe für gigantische Strukturen und Großunternehmen mit starken Betriebsräten und machen eine entsprechende Politik. Wer es aber unternimmt, kleinen Geschäftsleuten mittels aggressiver Lohnforderungen, prohibitiven Arbeitnehmerschutzauflagen und jede Menge anderer Regulierungen die Luft zum Atmen zu nehmen, darf sich nicht wundern, wenn am Ende nur noch (meist transnational agierende) Riesenbetriebe übrigbleiben, die sich den Markt – nicht unbedingt zum Vorteil der Konsumenten – aufteilen. Dass Konkurrenz das Geschäft belebt, ist eine Binsenweisheit. Wenn linke Politik kleine Wettbewerber aus dem Markt drängt, passiert genau das, was heute scheinheilig beklagt wird.

Dass heute nur noch wenige „marktbeherrschende“ Lebensmitteleinzelhandelsketten das Bild prägen, ist nicht der dem „Kapitalismus“ seit mehr als 150 Jahren angedichteten Neigung zur Monopol- oder Oligopolbildung geschuldet, sondern fortwährenden staatlichen Interventionen in den Markt.

Unternehmer dazu zwingen zu wollen, ihre Preisfindung rechtfertigen und von Staatsbütteln absegnen lassen zu müssen, zeigt das totale Unverständnis, mit dem Sozialisten der marktwirtschaftlichen Ordnung gegenüberstehen. Und das ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des realsozialistischen Experiments in Osteuropa!

Selbst wenn ein Bäckereiunternehmen 1.000 Euro für ein Kilo Brot verlangen sollte, wäre das OK – solange sich jemand findet, der diesen Preis bezahlt. Da das höchst unwahrscheinlich ist, wird es auch nicht geschehenen – selbst wenn es nur noch einen einzigen Bäcker geben sollte. Dafür sorgt allein dessen Wunsch nach Gewinnmaximierung…

Allerdings ist klar, dass mangender Wettbewerb auf der Angebotsseite stets zu Lasten der Nachfrager geht. Wenn die Genossen also tatsächlich den Konsumenten dienen wollten, sollten sie für ein gutes Unternehmensklima mit entsprechend vielen Neugründungen sorgen und nicht täglich neue Wirtschaftsfolterinstrumente entwickeln. Der beste Weg dazu ist es, sich jeglichen hoheitlichen Eingriffs in den Markt zu enthalten.

Eine „Kalkulationskontrollbehörde“ würde das Ende der letzten Reste von Markt in Österreich bedeuten. Der Bürokratie wäre damit zweifellos gedient. Den Konsumenten mit Sicherheit nicht.

Ing. Andreas Tögel
Mittelstandsprecher