Das konnte nicht ausbleiben: Nachdem der schwarze Finanzminister laut über Sinn und Wirkung jener Bestimmungen nachgedacht hatte, die regeln, unter welchen Bedingungen Arbeitslose eine angebotene Arbeitsstelle anzunehmen haben, folgt prompt die Retourkutsche. Der sozialistische Multifunktionär Wolfgang Katzian, u. a. Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten, kontert die nach rotem Neusprech auf einen „Sozialabbau“ hinauslaufenden Vorstellungen Minister Schellings, mit der originellen Forderung nach einem kollektivvertraglichen Mindestlohn von monatlich 1.700 Euro.
Sein Argument: Nachdem seitens bürgerlicher Reaktionäre der zu geringe finanzielle Abstand zwischen Mindestsicherung und Mindestlohn kritisiert würde, müsse man diesen eben beherzt vergrößern, um zusätzliche Arbeitsanreize zu schaffen. Dass man heute in den Gastronomiebetrieben der Alpenrepublik kaum noch einheimisches Personal antrifft, während zugleich Tausende Arbeitsstellen mangels Interesses arbeitsloser einheimischer Kellner nicht besetzt werden können, irritiert den Apparatschik Katzian in keiner Weise. Dass die von Schelling geäußerte Vermutung am Ende stimmen könnte, wonach es freizeitorientierten Zeitgenossen im Land der Hämmer eben zu einfach gemacht wird, kommod versorgt dem Müßiggang zu frönen, darf einfach nicht wahr sein…
827,83,- Euro beträgt die staatlich alimentierten Unproduktiven derzeit zustehende „bedarfsorientierte Mindestsicherung“. 1.159,08,- bleiben einem Angestellten mit einem Bruttogehalt von 1.500,- Euro (das ist die kollektivvertragliche Untergrenze, die für rund 80 Prozent aller Arbeitnehmer gilt) nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsabgaben monatlich übrig. Stellt man in Rechnung, dass sich die Bezieher einer Mindestsicherung über die Befreiung von Rezept- und anderen Gebühren freuen dürfen, verbleiben somit netto deutlich weniger als 300 Euro Differenz zwischen Vollzeitarbeit und grenzenlosem Freizeitspaß. Zwei, drei Tage pro Monat schwarzgearbeitet – und schon ist man als Transferempfänger finanziell besser dran als ein Vollzeitarbeiter. Das trifft auf Menschen mit weniger als 1.500 Euro Monatsbruttolohn natürlich in umso stärkerem Maße zu.
Bei besagten 1.500 Euro Mindesttariflohn handelt es sich um eine recht junge Errungenschaft. Sie gilt etwa für die große Gruppe der Handelsangestellten erst seit Beginn des laufenden Jahres. Die von Katzian, der sein gesamtes Berufsleben in vor den Fährnissen des Marktes geschützten Werkstätten zugebracht hat, erhobene (und von einigen seiner Parteigenossen und den Grünen unterstützte) Forderung von 1.700 Euro Monatslohn, bedeutet also eine Erhöhung um mehr als 13 Prozent, der keinerlei Gegenleistung gegenübersteht.
Nun könnte der wackere Mann ebenso gut auch 1.800,- oder 2.000,- fordern. Mit der betrieblichen Realität hat das eine so viel zu tun wie das andere: Gar nichts. Besonders Betriebe der traditionellen Niedriglohnbranchen (Handel, Gastronomie und Reinigungsgewerbe) kämpfen mit ebenso schmalen Renditen wie geringen Eigenkapitalausstattungen. Entsprechend häufig werden solche Unternehmen zu Opfern des Pleitegeiers. Wer mit offenen Augen durch zahlreiche einstmals ansehnliche Einkaufsstraßen österreichischer Städte wandelt, wird die vielen blinden Auslagenscheiben zugrunde gegangener Gewerbebetriebe schwerlich übersehen können…
Außer für erkenntnisresistente Gewerkschafter und grüne Bobos, ist es keine Überraschung, dass gerade personalintensive Branchen, die (im Gegensatz zu Hi-Tech-Industriebetrieben), meist eine geringe Wertschöpfung pro Beschäftigten aufweisen, besonders stark unter oktroyierten Mindestlöhnen zu leiden haben. Anders als Fertigungsbetriebe, können sie ihre Produktivität nämlich durch erhöhten Kapitaleinsatz kaum oder gar nicht erhöhen. Löhne bilden in solchen Betrieben stets den größten Kostenbrocken (im Handel nach dem Wareneinsatz).
Da die Nachfrageseite unelastisch agiert – wer zu teuer anbietet, bei dem wird einfach nichts gekauft – erhöhte Betriebskosten also nicht auf den Endkunden überwälzt werden können, geraten diese Unternehmen in eine Doppelmühle, der regelmäßig nur die größten und stärksten (nicht selten Filialbetriebe ausländischer Ketten) entkommen können.
Die Konsequenzen im Falle der Durchsetzung der nobelpreisverdächtigen Idee Katzians, liegen daher auf der Hand: Noch mehr Firmenpleiten, ein noch weiter gehender Konzentrationsprozess im Handel und eine weitere Zunahme der bereits jetzt auf Rekordhöhe befindlichen Arbeitslosigkeit im Lande. „Dann brennt die Republik“ hat einer seiner klassenkämpferischen Genossen (Rudi Kaske, derzeit Chef der Zwangsvertretung der österreichischen Arbeitnehmer) einst gemenetekelt. Noch ein paar Zehntausendschaften an zusätzlichen Arbeitslosen – und er könnte damit Recht behalten. In diesem Fall handelte es sich um eine selbstfüllende Prophezeiung wie aus dem Lehrbuch.
Es ist deprimierend zu erleben, dass vollmundige Ankündigungen der politischen Klasse, endlich eine „Entfesselung der Wirtschaft“ anzustreben, realpolitisch stets ebenso konsequent wie wirksam konterkariert werden. Die aus einem einzigen Belastungspaket für die Unternehmen bestehende „Steuerreform“, die am 1. 1. 2016 in Kraft treten wird, bildet ein anschauliches Beispiel dafür.
Falls es die Regierung – nachdem sie seit Jahren, Hand in Hand mit den Gewerkschaften und den Grünen, heimische Produktionsbetriebe planmäßig ins Ausland vertreibt (einer der industriellen Vorzeigebetriebe der Republik, die Voest, tätigt bereits höhere Investitionen im Aus- als im Inland!) – darauf anlegt, den übrigen Unternehmen, die an den Standort gebunden sind, das Überleben zu erschweren oder sie gar zu eliminieren, sollte sie schleunigst den Forderungen des Gewerkschaftskapos folgen.
Vielleicht wäre sie aber, nachdem die Idee vom zentral planbaren Mindestlohn so reizvoll und populär ist, gut beraten, zuvor noch über die Einführung eines gesetzlichen Mindestgewinns nachzudenken. Das wäre ein Geniestreich! Auf diese Weise könnte die hohe Politik der Wirtschaft einmal so richtig auf die Sprünge helfen…!
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Ing. Andreas Tögel
Mittelstandsprecher