Zwar ist es reiner Zufall, dass die Präsentation eines aus der Feder des langgedienten Wirtschaftsjournalisten Josef Urschitz von der “Presse“ stammenden Buches exakt auf den Tag nach der Demission von Vizekanzler Mitterlehner fiel. Der Zeitpunkt konnte indes nicht besser gewählt sein.
Der gewählte Titel „Stillstand“, könnte ohne weiteres durch „Mehr als 40 Jahre Austrosklerose“ ersetzt werden. Das Land durchlebt, nicht zuletzt dank der am Ruder befindlichen GROKO, eine „bleierne Zeit“. Urschitz beklagt in dem von seinen Kolumnen in der „Presse“ gewohnten, sarkastischen Stil, die seit Jahrzehnten andauernde, von einigen der wichtigsten Akteure der Republik – namentlich den Landeshauptleuten und der Sozialpartnerschaft – betriebene Blockadepolitik, die alle notwendigen und wirksamen Reformmaßnahmen schon im Ansatz zunichtemacht.
Neben einem dysfunktionalen Föderalismus, der mächtigen „Landeskaisern“ die Möglichkeit eröffnet, auf Rechnung des Bundes Geld zu verschleudern, ortet er im Steuer- Bildungs- und Sozialsystem wirkungsvolle Reformverhinderungsstrukturen. In der Tat wurden bereits in einem 1974 erschienenen und von Heinz Fischer herausgegeben Buch mit dem Titel „Das politische System Österreichs“, Reformnotwendigkeiten benannt, die bis heute unverändert bestehen. Das bedeutet mehr als 40 Jahre Stillstand und Sklerose im Lande.
Dass Österreich seit geraumer Zeit in allen Wirtschaftsrankings dramatisch zurückfällt – im Vergleich der Industrienationen etwa binnen weniger Jahre vom zehnten auf den zwanzigsten Platz, ist demnach lediglich ein Symptom des herrschenden und von den einander gegenseitig blockierenden Stakeholdern zu verantwortenden Stillstands. Das Land hat das Glück, immer noch von den in der Vergangenheit erbrachten wirtschaftlichen Leistungen zehren zu können. Leider hat es aber auch das Pech, sich – noch – ein Jammern auf hohem Niveau leisten zu können. Der allgemeine Leidensdruck ist eben noch immer nicht hoch genug, um die politisch Verantwortlichen dazu zu veranlassen, ernsthaft an einen Kurswechsel zu denken. Lange kann das aber nicht mehr gutgehen, wenn alle Wettbewerber ringsum die Zeichen der Zeit erkannt haben und auf Veränderungen setzen.
Fazit: Ohne Reform an Haupt und Gliedern, wird sich der heute für viele noch nicht spürbare wirtschaftliche Niedergang der Alpenrepublik, beschleunigt fortsetzen. Urschitz denkt an eine tiefgreifende Staatsreform, etwa an die Einführung eines Mehrheits- und eines gestärkten Persönlichkeitswahlrechts. Auf dem Boden des bestehenden Systems sieht er jedenfalls keine Möglichkeiten zur Umsetzung jener Veränderungen, die er für eine Trendumkehr für unabdingbar hält. Denn die herrschenden Strukturen haben es bisher stets geschafft, jede Reform zu verunmöglichen.
Dass der Autor selbst diese Forderungen für ein „utopisches Rezept“ hält, spricht für seine profunde Kenntnis der österreichischen Seele. Am Ende wird daher wohl eintreten, was er in seinem Epilog in Aussicht stellt: Dass nämlich andere, namentlich die berüchtigte „Troika“, schließlich jene Reformaktivitäten entfalten wird, die zu setzen die politische Klasse Österreichs sich als ebenso unwillig wie unfähig erweist.
Stillstand / Wie der Reformstau unseren Wohlstand gefährdet
Josef Urschitz
Molden-Verlag
158 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3222-15003-6
19,90,- Euro
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Ing. Andreas Tögel
Mittelstandsprecher