Die Folgen des Interventionismus

Auf dem „Dritten Weg“ in die Krise

“When there is a stronger incentive to take than to make…societies fall to the bottom.“
Mancur Olson

Folgt man dem Urteil der Systemmedien, ist alles klar: Kollektive Gier, ruchlose Spekulanten, verantwortungslose Banker, der „Neoliberalismus“, oder der die ganze Welt beherrschende „Turbokapitalismus“ sind es, denen wir die nicht enden wollende Wirtschafts- Währungs- und Schuldenkrise zu verdanken haben. Die meisten staatsfinanzierten Ökonomen stoßen ins selbe Horn und verleihen der Kampagne gegen die üblichen Verdächtigen damit den Segen der Wissenschaft. Nach dem Untergang des Sozialismus vor mehr als 20 Jahren und der durch die Krise – in völliger Fehleinschätzung der Lage – diskreditierten Marktwirtschaft, erfährt die Suche nach dem „Dritten Weg“ zwischen den gegensätzlichen Wirtschaftssystemen unter den unterschiedlichsten Etiketten eine Renaissance. Unter Aufklebern wie „Ökosoziale Marktwirtschaft“, „Gemeinwohlökonomie“ oder „Freiheit statt Kapitalismus“ werden obsolete Konzepte präsentiert, die allesamt auf eine bürokratische, zentral geführte Kommandowirtschaft hinauslaufen: Alter Wein in neuen Schläuchen.

Bertrand Russel meinte: „Wenn alle Experten einig sind, ist Vorsicht geboten.“ So sind allzu billige Schuldzuweisungen im Zusammenhang mit der aktuellen Krise allein schon deshalb verdächtig, weil sie stets von eigennützigen Motiven getragen sind und eher der Verschleierung, denn der Aufklärung der wahren Auslöser dienen. Um die Ursachen der von der Politik offensichtlich nicht beherrschbaren Fehlentwicklungen zu verstehen, bedarf es der Einsicht in grundlegende ökonomische Gesetzmäßigkeiten.

„Die erste Lektion der Ökonomie ist die Knappheit: Es gibt niemals genug von irgendetwas, um alle befriedigen zu können, die es haben wollen.“ Die erste Lektion der Politik ist die Nichtbeachtung der ersten Lektion der Ökonomie.
Thomas Sowell

Der US-Ökonom bringt es auf den Punkt: Von „Überflußgesellschaften“ kann weltweit keine Rede sein. Denn während es in einigen Teilen der Welt sogar am Notwendigsten fehlt und sich die Menschen nicht einmal satt essen können, bleiben in anderen eben Träume von Villen, Bentleys, Hochseeyachten oder Privatjets unerfüllt. Die Summe aller Wünsche übersteigt die realen Möglichkeiten, diese auch zu erfüllen, in jedem Fall. Der Zustand des Mangels ist – seit der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies – der Regelfall und nicht die Ausnahme. Die politische Klasse aber gibt vor, das Unmögliche leisten imstande zu sein. Sie maßt sich an, Knappheit und Mangel abzuschaffen zu können. Das aber gelingt aber allenfalls in Wahlreden:

„Politische Macht vermag das ökonomische Gesetz niemals außer Kraft zu setzen.“
Eugen Böhm von Bawerk

Der ehemalige Finanzminister und Ökonomieprofessor, einer der ersten Vertreter der „Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre“, formuliert damit eine Tatsache, die von demokratisch gewählten Regierenden, die – im Gegensatz zu Erbmonarchen – ständig der Versuchung zum Stimmenkauf ausgesetzt sind, leider nur selten akzeptiert wird.

Und so steht am Beginn allen Unheils stets der eitle Versuch der Machthaber, Gott zu spielen und die Naturgesetze außer zu Kraft setzen – wie eben jenes der Knappheit. Im vorliegenden Kontext die Knappheit an Kapital, der durch „aktive Geldpolitik“ begegnet werden soll. „Aktive Geldpolitik“ bedeutet Zinsmanipulation mittels der Ausweitung von Geldmenge und Kreditvolumen.

Welche Konsequenzen leiten sich daraus ab?

Die von Ludwig Mises im Rahmen seiner Habilitationsschrift „Die Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel“ vor genau 100 Jahren entwickelte Konjunkturtheorie, erklärt das Phänomen zyklisch auftretender Krisen, die für den Kapitalismus nach Meinung seiner Kritiker angeblich typisch sind. Mises´ bahnbrechende Erklärung für die Entstehung der Konjunktur-Rezessions-Kreisläufe, wurde von der Wirtschaftswissenschaft bis heute nicht widerlegt – ja durch Entstehung und Verlauf der gegenwärtigen Krise sogar eindeutig bestätigt. Dennoch wurde sie schlicht und einfach ignoriert und vergessen. Das erstaunt – angesichts der Tatsache, dass nur sie jene Mechanismen zu erklären vermag, denen wir die gegenwärtige und auch die meisten zurückliegenden Wirtschaftskrisen verdanken. Der Grund für die konsequente Missachtung der „österreichischen“ Theorie durch die Regierenden ist, daß diese hoheitlichen Eingriffen in freie Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte eine rigorose Absage erteilt. Die Regelung wirtschaftlicher Beziehungen soll weitgehend der „unsichtbaren Hand“ des Marktes überlassen bleiben. Freie und mündige Bürger brauchen keine beamteten Gouvernanten, die jeden ihrer Schritte lenken – weder in Bezug auf ihre wirtschaftlichen Interessen, noch in anderer Hinsicht. Die Wirtschaftstheorie der „Österreichschen Schule“ bietet staatlichen Interventionen nicht nur keine theoretische Grundlage, sondern sie lehnt sie – im Gegenteil – rundweg ab. Aus Sicht der Politbüros bedeutet das eine unerträgliche Herausforderung ihres Selbstverständnisses als omnipotente Führer. Denkt man sich an die Stelle der politischen Dressurelite, schwindet jedes Erstaunen über die von dieser gezeigten Ignoranz. Denn welches Konzept wird einem hochmütigen Apparatschik wohl attraktiver erscheinen: „Österreichisches“ Laissez-faire, das ihn seiner Macht – der Möglichkeit, Gott zu spielen – beraubt? Oder sozialistische Utopien wie der (Post- oder Neo-)Keynesianismus, in der allein er das Sagen hat?

Was besagt die von Mises aufgestellte und von rezenten „Österreichern“ (wie Huerta de Soto und Jörg Guido Hülsmann) weiterentwickelte Konjunkturtheorie? Vereinfacht dargestellt, geht es um folgendes: Die Wirtschaft kennt keine stabilere Konstante als die der Veränderung. Nichts bleibt wie es ist. Alles befindet sich ständig im Fluß. Die Vorstellung, daß ein dauerhaft stabiles Gleichgewicht auf dem Markt herrschen könnte, ist illusorisch. Unternehmerische Entscheidungen sind stets auf eine ungewisse Zukunft gerichtet und bedeuten ein zwar kalkulierbares, aber jedenfalls unvermeidliches Risiko. Jeder wirtschaftlich handelnde Mensch ist daher ein „Spekulant“, der darauf hofft, ihm zum Vorteil gereichende Entscheidungen zu treffen. Mit seiner „Spekulation“ kann er allerdings falsch liegen.

Die für die Erfolge von Unternehmen maßgeblichen Einschätzungen künftiger Konsumentenpräferenzen (und die daraus folgenden Entwicklungen der Nachfrage) können leicht danebengehen. Es gibt daher für keinen Betrieb eine dauerhafte Erfolgs- oder Bestandsgarantie. Es ist unvermeidlich, dass immer wieder einzelne Firmen, in den unterschiedlichsten Branchen, scheitern – wie etwa die kurz zurückliegende Insolvenz des weltbekannten, seit 135 Jahren bestehenden US-Traditionsbetriebes Eastman-Kodak vor Augen führt. Andere Betriebe entstehen wieder neu. Wenn aber – wie es in als Krisenzeiten erlebten Rezessionen der Fall ist – rund um den Globus, zeitgleich, Unternehmen massenhaft in Schwierigkeiten geraten, sich zugleich aber keinerlei neue Chancen auftun, dann müssen dafür besondere Gründe vorliegen. Keine der „neoklassischen“ Theorien, weder die der Keynesianer, noch die der Monetaristen bietet eine plausible Erklärung für dieses Phänomen.

Dass über viele Jahre hinweg penibel planende, die künftigen Konsumentenerwartungen korrekt antizipierende und daher erfolgreich agierende Unternehmer exakt zur selben Zeit allesamt schwere unternehmerische Fehler begehen, die sie vielfach in eine existenzielle Notlage bringen, ist nur dann plausibel zu erklären, wenn es einen für alle gleichermaßen relevanten Anlass für ihr kollektives Fehlverhalten gibt. Der amerikanische Mises-Schüler Murray Rothbard spricht in diesem Zusammenhang vom „sudden general cluster of business errors“; Der gegenwärtig an der Universität von Angers in Frankreich Volkswirtschaft lehrende Jörg Guido Hülsmann, von „Error Cycles“.

Den entscheidenden Ausgangspunkt für kollektive unternehmerische Fehlentscheidungen stellt der durch die herrschende Klasse und die Zentralbanken nach unten manipulierte Zins dar. Auf dem freien Markt gebildete Zinsforderungen sind weder eine Ausgeburt der Hölle, noch ein Indikator für unbezähmbare Gier, sondern der bloßen Tatsache geschuldet, dass Menschen die Möglichkeit zur augenblicklichen Verfügung über ein Gut einer zukünftigen grundsätzlich vorziehen. Anders formuliert: Heutiger Besitz einer Sache oder sofortiger Konsum, werden eben höher bewertet als künftiger. Man spricht in diesem Zusammenhang von der „Zeitpräferenz“. Je höher die Zeitpräferenz, desto eher ist man bereit, für den sofortigen Konsum mehr zu bezahlen. Man kann oder möchte eben nicht warten. Die bekannten Werbeslogans „Ich will alles – und das sofort“ und „Anna, den Kredit hamma!“ sind Symptome für die hohe Zeitpräferenz vieler Konsumenten in der Gegenwart. Wer in einer solchen Zeit seine Konsumwünsche zu verschieben bereit ist, fordert ein entsprechend hohes Entgelt für seinen momentanen Verzicht (den Aufschub des Konsums auf später) und den dadurch möglich werdenden Verleih seiner Mittel. Seinen konkreten Niederschlag findet die Zeitpräferenz in der Höhe des geforderten Aufschlags auf den „Preis des Geldes“ – eben im Zins.

Der Zins ist somit ein natürliches Phänomen, das in einer freien Wirtschaft ausschließlich vom Aggregat der Zeitpräferenzen der Konsumenten bestimmt wird. Kein historisches Zinsverbot war jemals durchsetzbar oder dauerhaft zu halten, weil es einfach der menschlichen Natur zuwiderläuft. Zinsverbote führten und führen lediglich zu zum Teil hochkomplizierten Umgehungshandlungen. Das „Islamic Banking“ ist ein gutes Beispiel dafür.

Die Höhe der Zinsen ist somit ein entscheidendes Signal für die Investitionsplanung der Unternehmer. Sie bestimmt die Antwort auf die Frage, ob eine geplante Investition sich voraussichtlich lohnen wird oder nicht – ob sie also getätigt wird, oder ob sie unterbleibt. Niedrige Zeitpräferenzen der Konsumenten manifestieren sich in hohen Sparquoten und niedrigen Zinsen. Das von den Unternehmern empfangene Botschaft lautet: Die Konsumenten verfügen über hohe Reserven und sind bereit, ihre Konsumwünsche auf später aufzuschieben. Dies führt in der Folge zu einer Konzentration der Investitionen auf „Güter höherer Ordnung“ (das heißt, auf solche, die nicht dem augenblicklichen Konsum dienen, sondern erst nach längerer Vorlaufzeit den Konsum von durch ihren Einsatz erstellten Gütern verfügbar machen werden). Das heißt, dem Konsumenten werden erst nach dem Bau entsprechender Fabriken oder der Entwicklung neuer Produkte Güter angeboten und verkauft werden können.

Anders ausgedrückt: Es kommt zu einer tendenziellen Verlagerung der unternehmerischen Investitionen von der Konsum- zur Kapitalgüterindustrie. Die in Boomphasen regelmäßig zu beobachtende, deutlich steigende Bewertung von Aktien entsprechender Industriebetriebe gegenüber jenen in der Konsumgüterindustrie, die allgemeine Steigerung von Immobilienpreisen und Baubooms, wie – vor Ausbruch der aktuellen Krise – etwa in Dubai zu beobachten, sind Symptome dafür.

Das alles ist unbedenklich, wenn die Konjunktur bei den Investitionsgütern durch real gebildete Ersparnisse angetrieben wird, und damit den Konsumentenpräferenzen tatsächlich entspricht. Denn dann haben die Unternehmer ja richtig gehandelt: Die künftig angebotenen Güter werden auf eine kaufkräftige Nachfrage treffen und alles steht zum Besten! Ist der Boom indessen nicht auf real gebildete Ersparnisse, sondern auf aus dem Nichts geschaffene Kredite gegründet (und genau das war in den der Krise vorangegangenen Jahren der Fall), verhalten sich die Unternehmer auf breiter Front fehlerhaft, weil sie Investitionsentscheidungen auf Grund nicht gegebener Voraussetzungen treffen. Die aufwendigen Investitionen in Güter höherer Ordnung gehen vielfach vollständig verloren, weil die produzierten Waren später auf keine kaufkräftige Nachfrage treffen. Immerhin wurden die vermuteten Ersparnisse zum Kauf derselben ja niemals gebildet. Die Folge sind kostenintensiv aufgebaute Überkapazitäten, die nicht ohne hohe Verluste einer alternativen Verwendung zugeführt werden können. Ein als Bürohaus geplanter, halbfertig gebauter Wolkenkratzer oder eine pleitegegangene Fabrik für Solarzellen, sind zu tragbaren Kosten nicht anderweitig verwertbar und müssen daher abgeschrieben werden. Das bedeutet eine Vernichtung realer Werte. Die in derart gescheiterte -Vorhaben investierten Mittel hätten – auf andere Weise eingesetzt – Nutzen stiften und den allgemeinen Wohlstand mehren können.

Fazit: Nach Abschluss des „Boom-Bust-Cycles“ (der, wie beschrieben, mit einer künstlich entfachten Konjunktur beginnt und mit einer die „Blasenbildung“ ans Licht bringenden Rezession endet), befindet sich das Wohlstandsniveau einer Volkswirtschaft, infolge des Totalverlustes der provozierten Fehlinvestitionen, auf einem niedrigeren Niveau, als wenn dieser Zyklus niemals in Gang gesetzt worden wäre. Für die mit künstlich geschaffenem Geld induzierte Konjunktur muß am Ende daher teuer bezahlt werden.

Hoheitliche Einflußnahmen auf den Geldsektor, die stets mit der Behauptung begründet werden, die Wirtschaft mittels künstlich niedrig gehaltener Zinsen „ankurbeln“ und damit Vollbeschäftigung erreichen zu können, erfolgen über die im Umlauf befindliche Geld- und Kreditmenge. Höhere Geldmenge + höhere Umlaufgeschwindigkeit des Geldes = höherer Wohlstand, lautet diese in höchsten Maße seltsame Gleichung, welche jeder Logik entbehrt.

In einem warenbasierten und –gedeckten Geldsystem (z. B. einer Goldwährung mit 100% Deckungserfordernis), ist die Schöpfung „billigen“ Geldes („Fiat Money“) unmöglich. Die zur Verfügung stehende Geldmenge kann nur in jenem Ausmaß gesteigert werden, den die weltweite Goldförderung möglich macht. Derzeit sind das jährlich rund 2.500 Tonnen des gelben Metalls, was einem Würfel mit einer Seitenlänge von rund fünf Metern entspricht und knapp zwei Prozent der insgesamt bereits vorhandenen Goldmenge (einem Würfel mit ca. 20 m Seitenlänge) bedeutet.

Anders in einem Schuldgeldsystem, das durch nichts anderes als die Hoffnung auf die künftige Kaufkraft des „Geldes“ getragen wird. Seit 1971, dem Jahr, in dem US-Präsident Nixon unter dem Eindruck des ungeheure Summen verschlingenden Vietnamkrieges das „Goldfester“ endgültig schloß und den bis dahin zu einem Kurs von 35 Dollar pro Feinunze garantierten Umtausch von Dollars in Gold für beendet erklärte, wird die ganze Welt von einem Schuldgeldsystem beherrscht. Ohne daß darum je ein der Folgenschwere dieser Handlung entsprechend heftige Debatte entbrannt wäre, handelt es sich dabei um die wohl größte Enteignungsaktion der Menschheitsgeschichte. Wir haben es seither mit einem Geldsystem zu tun, in welchem intrinsisch wertlose, bunt bedruckte Zettel durch Zahlkraftgesetze zu Geld erklärt werden. Dieses – und das macht es für die Nomenklatura so unentbehrlich – kann in beliebiger Menge – so gut wie kostenlos – vermehrt werden. Ob man die produzierten Zettel mit dem Aufdruck 10, 100, 1.000 oder 10.000 versieht, spielt für die Kosten deren Produktion keine Rolle. Der Geldproduzent befindet sich damit in einer ungeheuer privilegierten, ja gottgleichen, Position. Wer, wenn nicht Gott, wäre ansonsten imstande, etwas aus nichts zu schaffen? Einer inflationistischen Geldpolitik ist in einem Schuldgeldsystem (in dem Geld durch Kreditvergabe geschöpft wird) keine natürliche Grenze mehr gesetzt, was durch mehrere im 20. Jahrhundert erlebte Hyperinflationen in vielen Ländern der Welt, eindrucksvoll belegt wird.

Wie der „anarchokapitalistische“ Ökonom Hans-Hermann Hoppe konsterniert feststellte, kann man zwar jedem halbwegs aufgeweckten Grundschüler in kurzer Zeit klarmachen, daß die Produktion bedruckter Zettel und materieller Wohlstand zwei verschiene Paar Schuhe sind, da letzterer sich ja durch die Verfügung über reale Waren und Dienstleistungen auszeichnet. Leider erfreut sich diese Einsicht unter Politikern und beamteten Ökonomen indessen nur recht geringer Verbreitung. Regierende Politiker und Zentralbanker wie Timothy Geithner und Ben Bernanke, sind überzeugt, mittels der Notenpresse strukturelle Krise beheben zu können – und sie handeln dementsprechend.

„In the long run we are all dead“
John Maynard Keynes

Dieses berühmte – ebenso niedrige Moral, wie hohe Zeitpräferenz ausdrückende – Zitat prägt die von Politikern und Staatsökonomen seit den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts getriebene Geldpolitik bis heute. Motto à la Madame de Pompadour: „Nach uns die Sintflut!“ Auf kurze Zeithorizonte fixierte Akteure – stets dräut ein Wahltermin, der auf den Verbleib von Politikern und deren Beraterklüngel am mit Steuermitteln gefüllten Futtertrog Einfluß hat – nehmen keine Rücksicht auf die Langzeitwirkung ihrer Handlungen. Wir haben es hier mit einer besonderen Variante des „Gefangenendilemmas“ zu tun, da jede einzelne wahlwerbende Gruppe vor dem Problem steht, den Bürgern keine unangenehmen Maßnahmen in Aussicht stellen zu dürfen, ohne dafür bei der nächsten Wahl abgestraft zu werden. Das ist ein strukturelles Problem der modernen Massendemokratien – insbesondere von solchen, die auf eine lange Tradition der Entwöhnung ihrer Bürger von individueller Verantwortung zurückblicken können und in denen „soziale Umverteilung“ als Menschrecht begriffen wird. Das ist in Europa leider flächendeckend der Fall – bezeichnenderweise besonders stark in jenen Volkswirtschaften, die eine besonders prekäre Finanzlage aufweisen.

„Papiergeld kehrt früher oder später zu seinem inneren Wert zurück – Null.“
Voltaire

So wird – um die Wirtschaft mit „billigem Geld“ zu versorgen und den „kleinen Mann“ vor dem angeblich namenlosen Schrecken einer Deflation zu bewahren – Geld produziert, dem keinerlei Realwert gegenübersteht. Die Unsinnigkeit dieses Bemühens wird vom bereits zitierten Hans-Hermann Hoppe anhand eines „Robinson-Gleichnisses“ (die Metapher der „Robinson-Ökonomie“ wurde erstmalig von Eugen von Böhm-Bawerk benutzt) entlarvt. Wenn Robinson Freitag einen (Waren-) Kredit in Form von Nahrungsmitteln gewährt, etwa, indem er ihm ein paar nicht konsumierte Fische überlässt, die es letzterem ermöglichen, sich einen Zeitlang zu ernähren, während er an einem Fischnetz arbeitet, dann ist der beiderseits entstehende Nutzen offensichtlich: Freitag erhält die Möglichkeit, seine Produktivität zu steigern und aus dem folgenden Ertrag die Schuld nebst vereinbarter Zinsen an Robinson zurückzuzahlen. Der erfreut sich eines Zinsgewinns. Die Vergabe eines aus dem Nichts geschaffenen Geldkredits – Ludwig Mises bezeichnet diesen als „Zirkulationskredit“ – würde dagegen bedeuten, dass Freitag lediglich einen Zettel mit der Aufschrift „Fische“ erhält. Die Idiotie einer derartigen Handlung würde im vorliegenden Prototyp einer Minimalökonomie augenblicklich offenbar werden. Freitag wäre sofort klar, dass Robinson offensichtlich über gar keine Möglichkeiten zur Kreditvergabe verfügt. Es liegt auch auf der Hand, dass ihm mit dem Zettel in keiner Weise gedient ist, weil er auf dieser Basis sein Vorhaben nicht realisieren kann. Der Zettel (eine Form von ungedecktem Papiergeld) stiftet keinerlei Nutzen! Auf eine entwickelte Volkswirtschaft übertragen, ist dieser Zusammenhang leider nicht so klar zu erkennen, weshalb das System der „Zirkulationskredite“, wie viele andere Pyramidenspiele auch (z. B. umlagebasierte Pensionssysteme), über lange Zeit am Leben gehalten werden kann.

„Es gibt keinen Weg, den finalen Kollaps eines Booms durch Kreditexpansion zu vermeiden. Die Frage ist nur ob die Krise früher durch freiwillige Aufgabe der Kreditexpansion, oder später zusammen mit einer finalen und totalen Katastrophe des Währungssystems kommen soll.“
Ludwig Mises

Der große österreichische Gelehrte bringt es auf den Punkt: Die Regierenden stehen – nachdem sie ihre Untertanen und sich selbst auf einem Meer von intrinsisch wertlosem Papiergeld ausgesetzt haben, vor der Wahl zwischen Skylla und Charybdis: Sie können entweder versuchen, den beginnenden Brand mit Benzin zu löschen und eine Volkswirtschaft, die am Ende des durch eine Geldmengenausweitung angestoßenen Konjunkturzyklus angekommen ist, durch eine erneute Geldmengenexpansion („Reflation“) vor der Rezession zu bewahren. In diesem Fall werden die Staaten sich – auf dem Umweg über die Zentralbanken als „lenders of last resort“, noch weiter verschulden, wobei diese Schulden (in der EU unter rücksichtslosem Bruch oder trickreicher Umgehung geltender Verträge, die derartig fragwürdige Manöver ausdrücklich ausschließen!) direkt oder indirekt monetarisiert – also in Liquidität transformiert und von den Geschäftsbanken über Kredite in die Wirtschaft gepumpt werden. Das führt über kurz oder lang zu einer allgemeinen Preissteigerung (Preisinflation).

Oder aber sie enthalten sich jeder weiteren Intervention und lassen eine, in Wahrheit die Korrektur vorangegangener Fehlentwicklungen darstellende, Rezession zu – mit allen damit verbundenen Gefahren. Die bestehen zum einen darin, bei erster sich bietender Gelegenheit aus dem Amt gejagt zu werden und – weit schlimmer noch – im Ausbruch sozialer Unruhen, die im Extremfall sogar Bürgerkriegscharakter annehmen könnten, wenn ein Jahrzehntelang auf den gegenleistungsfreien Bezug von Transferzahlungen konditioniertes Präkariat plötzlich vor dem Nichts steht.

“I believe that banking institutions are more dangerous to our liberties than standing armies.”
Thomas Jefferson

Die Würfel sind längst gefallen: Die herrschende Klasse hat sich für die erstgenannte Alternative entschieden. Serienweise für Griechenland geschnürte – völlig wirkungslose – „Rettungspakete“, ständig vergrößerte „Rettungsschirme“ (welch eine bizarre Wortschöpfung!) für die übrigen PIIGS-Staaten der EU, sowie die Umwandlung der in totaler Verkennung der Tatsachen als „Währungshüterin“ angesehenen, unter politischem Druck zur „Bad Bank“ verkommenen EZB, markieren den Weg ins dräuende Chaos. Das Politbüro setzt weiterhin auf Geldmengenexpansion und gleicht damit einem Akrobaten, der mit verbundenen Augen auf einem immer höher gespannten Seil ohne Sicherheitsnetz balanciert, wobei ihn ständig stärker wehender Wind umtost. Die Frage ist daher nicht ob, sondern wann der Absturz erfolgen wird. Nach den zuletzt serienweise erfolgten Wahltriumphen linker Parteien (deren zentrale Botschaft lautet: „Wir machen Schluß mit dem lästigen Sparen!“), spricht vieles für einen recht bald eintretenden Kollaps.

(Staats-)Schulden per se sind nichts Verwerfliches – allerdings unter der Voraussetzung, daß sie nicht ausschließlich zu dem Zweck aufgenommen werden, um damit im großen Stil Konsumausgaben zu finanzieren (was ihre Rückzahlung so schwierig macht). Kreditfinanzierte Investitionen, die in künftige Erträge versprechende Projekte erfolgen, haben – wie im „Robinson-Gleichnis“ dargestellt – den Wohlstand mehrende Effekte und sind in Ordnung, wenn der zu erwartende Zugewinn ausreicht, um Zins und Tilgung sicherzustellen.

Die exorbitante Verschuldung der meisten Staaten rührt aber eben nicht aus der Finanzierung zukunftsorientierter Projekte, wie einem sinnvollen Ausbau der Infrastruktur oder der Schaffung eines effizienten Bildungssystems, sondern Großteils aus der massiven Finanzierung (ertragslosen) Aufwands, wie etwa großzügig gewährten (Früh-)Renten, sinnlosen Prestigebauprojekten, Kontroll- und Regulierungsexzessen und allerlei Tätigkeiten, die vom Privatsektor besser bewerkstelligt wären.

„Die Steuerlast ist endlich“
James M. Buchanan

Dieser Erkenntnis folgend, wird die gewaltige Zunahme der Staatsschulden verständlich. Die Steuerlasten haben in Umverteilungs-Hochburgen wie Österreich nämlich ein Ausmaß erreicht, das ihre weitere Steigerung so gut wie unmöglich macht. Die Sozialisten in allen Parteien, die das nicht glauben wollen, werden sich schon bald verdutzt die Augen reiben, wenn die bereits jetzt zwei Drittel ihres Einkommens an den Fiskus abliefernde Leistungselite, zu wirksamen Gegenmaßnahmen zu greifen und die Nettosteuereinnahmen bei steigendem Steuersatz zu fallen beginnen (wie es die bekannte „Laffer-Kurve“ abbildet). „Reiche“ verdanken ihren Wohlstand in aller Regel nicht dem Umstand, daß sie schwachsinnig sind. Man darf daher annehmen, daß sie es verstehen werden, den im Zuge dräuender „Sparpakete“ geplanten Enteignungsaktionen geschickt zu entgehen. Eine Steuerflucht der Leistungsträger ist unter den in Kakanien herrschenden Umständen (die Hälfte der Bevölkerung lebt von Transferzahlungen und nur ganze 20% der Erwerbstätigen sind Nettostteuerzahler!) als Akt der Notwehr zu verstehen.

Stimmenkäufe sind in hypertrophen Wohlfahrtsstaaten daher nicht mehr allein über Steuereinahmen zu finanzieren. Das Stimmvolk wird folglich zunehmend durch die Verteilung schuldenfinanzierter Wohltaten korrumpiert. In den USA geschah das bis zum Aufbrechen der „Subprime-Krise“ mittels staatlich veranlasster Kreditvergabe an vielfach völlig mittellose Individuen, denen eingeredet wurde, daß sie als Amerikaner einen quasi naturgegebenen Anspruch darauf hätten, im Eigenheim zu leben – und zwar auch dann, wenn sie weder materielle Sicherheiten, noch ein regelmäßiges Einkommen nachweisen konnten. In diesem Fall ist die in ihrer Konsequenz fatale Lenkungswirkung staatlicher Eingriffe in Wirtschaftsabläufe unübersehbar.

„Nichts ist in der Regel unsozialer als der sogenannte Wohlfahrtsstaat.
Ludwig Erhard

Der Architekt des „Wirtschaftswunders“ im Deutschland der Nachkriegszeit trifft mit diesem Kommentar den Nagel auf den Kopf. Zu Klienten der Sozialbürokratie degradierten, faktisch entmündigten Bürgern, wird jede Fähigkeit systematisch abtrainiert, für sich selbst zu sorgen – vor allem aber werden sie des natürliche Gespürs für richtig und falsch beraubt.

„Umverteilung ist tatsächlich viel weniger die Umverteilung von freiem Einkommen von den Reicheren zu den Ärmeren, sondern vielmehr eine Umverteilung von Macht vom Individuum zum Staat.“
Bertrand de Jouvenel

Damit nähern wir uns des Pudels Kern. Unternimmt man es nämlich, sich der Sache von der Frage „Wem nutzt die Krise?“ ausgehend zu nähern, erscheint das eingangs erwähnte, uniforme Urteil der „Experten“ sofort fadenscheinig. Wessen Interessen werden durch (tatsächliche oder imaginierte) Krisen aller Art – vom Krieg bis zur Vogelgrippe und von der angeblich vom Menschen verursachten „Klimakatastrophe“ bis zu den Gefahren durch die Umweltverschmutzung – befördert? Wer steht am Ende stets als Retter bereit? Niemand anders als der Staat, respektive die diesen beherrschende politische Elite. Besonders Kriege führen immer zu einer Aufblähung und Konzentration von Macht in den Händen kleiner Klüngel, die in der folgenden Friedenszeit niemals wieder auf das Vorkriegsniveau zurückgeführt wird. Krisenhafte Verwerfungen bedingen stets eine Machtverschiebung – von den Bürgern zu den Herrschenden. Seit die – beiderseits des Atlantiks – bereits Jahrelang laufenden Fehlentwicklungen im Jahr 2008 für alle Welt erkennbar wurden, ist die weitere Machtkonzentration in den Händen der politischen Kommandozentralen nicht mehr zu übersehen. Ein Krisengipfel jagt den anderen – und am Ende steht in jedem Fall eine noch weiter als schon bisher reichende Machtkonzentration, Enteignung und Entmündigung der Bürger auf der Agenda der herrschenden Klasse.

“Jene, die mehr Staatseingriffe wünschen, verlangen letztendlich mehr Zwang und weniger Freiheit.“
Ludwig Mises

Damit beweist der aus Lemberg stammende Altösterreicher seinen klaren Blick für die Fakten. An der Gültigkeit dieses, vor vielen Jahrzehnten erstellten Befundes hat sich bis heute nichts geändert – außer der Zahl derjenigen, die unentwegt nach noch mehr Staatsregulativen rufen. Diese scheint, folgt man den Einlassungen der Hauptstrommedien, die, und sei es bei den unbedeutendsten Angelegenheiten, „die Politik gefordert“ sehen, so gut wie täglich zuzunehmen.

„Eines von beiden wird früher oder später weichen müssen: das freie Gesellschafts- und Wirtschaftssystem oder der heutige Wohlfahrtsstaat.“
Wilhelm Röpke

Der große ordoliberale Denker spitzt das Problem zu: Man kann nicht beides zur selben Zeit haben – die vermeintliche Sicherheit des Wohlfahrtsstaates, und die von vielen eher als Zumutung, denn als Segen empfundene Freiheit. Denn letztere schließt selbstverständlich auch individuelle Verantwortung und Haftung für eigene Fehler ein.

„There’s no such thing as a free lunch.”
Milton Friedman

Wer behauptet, kurzfristig wirksame und schmerzfreie Strategien zu kennen, die aus dem Schuldendebakel herausführen, ist entweder ahnungslos oder ein Scharlatan. Für Schulden ist immer zu bezahlen – entweder vom Debitor, oder vom Kreditor. Die Überschuldungsexzessen folgenden Konsequenzen sind jedenfalls unerfreulich. Der kürzlich, viel zu früh, verstorbene „radikalliberale“ Nationalökonom und Buchautor Roland Baader faßte es in seinem letzten, „Geldsozialismus“ betitelten Buch zusammen: „Was wir in den letzten Jahrzehnten im Kreditrausch vorausgefressen haben, werden wir in den nächsten Jahrzehnten nachhungern müssen. Es wird furchtbar werden.“

Möge der Mann sich geirrt haben!


Andreas Tögel
Mittelstandsprecher