Das vorliegende Werk unterscheidet sich von anderen islamkritischen Büchern insofern, als es von einem Mann geschrieben wurde, der seit langer Zeit große Sympathien für den Orient hegt. Dass er zudem die koranarabische Sprache beherrscht, verleiht seinen Betrachtungen zusätzliches Gewicht.
Der Autor bietet sowohl eine historische Analyse der Welt des Islams, als auch Einblicke in dessen „heilige Schriften“ – insbesondere in die Entstehungsgeschichte des Korans. Die tiefe Kenntnis der arabischen Sprache ermöglicht es dem aus Österreich stammenden Philosophen und Altphilologen Manfred Schlapp, die Bedeutung der im muslimischen Schrifttum verwendeten Begriffe treffsicher zu erklären.
Große Bedeutung für die Entwicklung der Welt des Halbmondes und deren seit dem siebenten Jahrhundert andauernde Aggression gegen das christliche Abendland, misst der Autor Muhammad al-Ghazālī (1058 – 1111) bei, einem islamischen Gelehrten, der die „liberale“ okzidentale Philosophie vernichtend kritisiert und den Islam gegen westliche Einflüsse faktisch „versiegelt“ hat. Dass in der Welt des Halbmonds nach Ghazali – im Gegensatz zu der Zeit vor ihm – faktisch kein nennenswerter Geistesblitz mehr zu verzeichnen war, ist demnach kein Zufall. Seither gilt nämlich: Was ein gläubiger Moslem wissen muss, das findet er im Koran. Was nicht im Koran geschrieben steht, ist es folglich nicht wert, gewusst zu werden. Der sich im Laufe der Jahrhunderte immer weiter ausbildende Rückstand der muslimischen Welt gegenüber dem Westen, erklärt sich zum Großteil aus ihrer systematischen Abkehr vom Wissenserwerb.
Der Autor versteht sich – dank seiner profunden Quellenkenntnisse – darauf, die im Koran dekretierte, strikte Zweiteilung der Welt in Gottgefällige und auf ewig Verdammte, die daraus folgende Unmöglichkeit der Anerkennung einer „Goldenen Regel“ und das Fehlen einer Aufklärung im Sinne Kants, in flüssiger, passagenweise sogar sehr amüsant zu lesender Art und Weise zu vermitteln. Wer dieses Buch gelesen hat, wird wohl jede Illusion auf ein friedvolles Miteinander von Rechtgläubigen und „Kuffar“ (das pejorative Mehrzahlwort für „Ungläubiger“) fahren lassen.
Besonders seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die islamische Welt durch starke Bewegungen gekennzeichnet, zu den Wurzeln zurückzukehren. So wird etwa die Muslimbruderschaft im Jahre 1928 in Ägypten gegründet – vier Jahre nach Abschaffung des Kalifats in der Türkei. Rückkehr zu den Wurzeln – das verheißt im Islam nichts Gutes. Es bedeutet nämlich die Wiederaufnahme des Dschihad, des „heiligen Krieges“ gegen den Rest der Welt. Ehe die Umma, das Kollektiv der moslemischen Rechtgläubigen, nicht das gesamte Erdenrund beherrscht, werden die Muslime keine Ruhe geben. Allerdings schließt der Autor, der offenkundig über einen unzerstörbaren Optimismus verfügt, die Möglichkeit zu einer liberalen Reform des Islam nicht gänzlich aus.
Es lockt der Ruf des Muezzins: Europa am Kreuzweg
Manfred Schlapp
Münster Verlag
260 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-905896-90-9
23,- Euro
Ing. Andreas Tögel
Mittelstandsprecher