13.12.2017 – Interview mit Andreas Tögel anlässlich des Erscheinens seines neuen Buches „Schusswaffen-Ratgeber für Einsteiger“.
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Herr Tögel, im Vorgespräch zu diesem Interview erwähnten Sie, dass Ihr Schwager vor Jahren in den USA ermordet wurde. Vor diesem Hintergrund wird man Ihnen sicher häufiger die Frage stellen, warum Sie nicht dafür sind, Schusswaffen zu verbieten. Stattdessen haben Sie jüngst sogar einen Ratgeber zum Thema „Schusswaffen“ in Buchform vorgelegt. Wie kommt das?
Der Mord an meinem Schwager wurde in San Antonio/Texas verübt, in einem Bundesstaat mit einem sehr liberalen Waffengesetz. Die Formel „leichter Zugang zu Schusswaffen = viele Gewaltverbrechen“ stimmt aber nicht, wie viele empirische Untersuchungen, besonders in den USA, beweisen. Das Ausmaß der in einer Gesellschaft herrschenden Gewaltkriminalität ist eine Frage der Kultur und der allgemein herrschenden Moral und keine der Verfügbarkeit bestimmter Tatmittel. Würde letztere ausschlaggebend sein, müssten in der Schweiz, wo in zehntausenden Haushalten sogar vollautomatische militärische Waffen lagern, bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen – was aber nicht der Fall ist.
Das staatliche Gewaltmonopol kann nicht überall zugleich wachen. Es ist mit Sicherheit nicht zur Stelle, wenn man einer kriminellen Gewaltdrohung ausgesetzt ist. Mein Schwager, der beim Abholen der Tageseinnahmen eines von ihm geführten Restaurants überfallen und getötet wurde, könnte möglicherweise noch leben, wenn er selbst bewaffnet gewesen und zur Gegenwehr fähig gewesen wäre. Das war nicht der Fall. Wer zu seinem Schutz auf die Polizei vertraut, muss wissen, dass die nur dazu taugt, nach der Tat den Hergang zu rekonstruieren und den Leichenwagen zu rufen. Wenn es um die eigene Sicherheit geht, sollte man nur auf sich selbst und geeignete Notwehrmittel vertrauen.
Was stimmt Ihrer Ansicht nach nicht an der Überlegung der Politik, dass es in einem Land ohne Waffen auch praktisch keine Gewaltverbrechen mehr gibt?
Praktische Erfahrungen sprechen eindeutig dagegen. Nach einem 1996 in einer britischen Schule (in Dunblane, Schottland) verübten Massenmord an 16 Kindern und einer Lehrkraft wurde von der Regierung Tony Blair im Jahr darauf ein nahezu totales Waffenverbot für Privatpersonen durchgesetzt. In der Folge ist die Zahl der Gewaltverbrechen nicht etwa zurückgegangen, sondern drastisch gestiegen: Sie hat sich bis zum Jahr 2002 verdoppelt! Kriminelle setzen seit Inkrafttreten des gesetzlichen Waffenverbots vermehrt vollautomatische Militärwaffen ein, die sie sich illegal beschaffen. Administrative Maßnahmen sind eben einfach nicht dazu geeignet, kriminelle Neigungen zu eliminieren – ja nicht einmal dazu, sie zu bremsen.
Man darf eine entscheidende Tatsache nicht aus dem Auge verlieren: Ist eine Schusswaffe nicht auf legalem Weg zu beschaffen, dann besorgen sie sich kriminelle Elemente auf dem Schwarzmarkt, oder sie setzen alternative Tatmittel ein. Jemand, der bereit ist, einen Menschen zu verletzen oder zu sogar töten, ist durch restriktive Waffengesetze nicht zu stoppen. Das gilt weltweit.
Wo sehen Sie den Grund dafür, dass in der öffentlichen und medialen Diskussion Daten und Fakten so wenig zählen?
Das ist eine gute Frage. Wo Emotionen dominieren („Waffen töten und sind daher böse!“), hat man es nicht eben leicht, mit harten Fakten zu punkten. Gegen das „Argument“: „Und wenn durch ein Verbot nur in einziges Menschenleben gerettet werden könnte…“ ist mit Tatsachen schwer anzukommen. Es ist wie in der Ökonomie, wo ebenfalls tausendfach widerlegte Parolen von Sozialromantikern für den unbedarften Beobachter einfach attraktiver klingen als die „kalten“ Argumente der Liberalen.
Faktum ist jedenfalls, dass der Staat – je weiter er seine Kompetenzen ausdehnt – in immer geringerem Maße dazu imstande ist, die persönliche Sicherheit der Menschen zu garantieren. Sogar regierungsaffine Medien können diese Tatsache nicht länger verheimlichen. Nie zuvor gab es mehr gewaltsame Übergriffe auf Eigentum, Leib und Leben von Otto Normalverbraucher als dieser Tage. Zeitgleich wurde es rechtschaffenen Bürgern drastisch erschwert, sich wirksame Selbstverteidigungsmittel auf legalem Wege zu beschaffen. Das ist doch ein klarer Nachweis für die erschreckende Dysfunktionalität des angeblich allsorgenden Gouvernantenstaats, nicht wahr?
Oder Nachweis dafür, dass sich bei einem Monopolisten im Laufe der Zeit die Leistungen verschlechtern und die Preise erhöhen…
Darüber, dass einer zu wenig Steuern bezahlt, habe ich in der Tat noch keine Klagen gehört. Allerdings wird immer mehr Kritik an mangelnden staatlichen Sicherheitsdienstleistungen laut. Die Menschen fühlen sich – spätestens seit 2015 – zunehmend unsicher. Kein Wunder, da doch die Polizei unentwegt mit der Bekämpfung „opferloser Verbrechen“ wie Schnellfahren, Falschparken, Kiffen, etc. oder mit der Überwachung und Kontrolle rechtschaffener Bürger beschäftigt ist, bleiben für den Kampf gegen kriminelle Gewalttäter keine Ressourcen übrig. Da es für den einzelnen Polizisten keine Nachteile mit sich bringt, wenn er gefährliche Jobs (wie zum Beispiel die Bekämpfung intensivkrimineller und gewalttätiger Clans) bleiben lässt und sich stattdessen relativ risikolosen Nachstellungen gegen Schwarzarbeiter oder Steuersünder widmet, wird er entsprechend handeln. Der Bürger bezahlt mit seinen Steuern am Ende nicht für seinen Schutz, sondern für seine eigene Peinigung. Das ist zwar skandalös, wäre aber nicht ganz so problematisch, wenn er wenigstens berechtigt wäre, seine Sicherheit mit geeigneten Mitteln in die eigenen Hände zu nehmen.
Ist es in der Schweiz nur die Abschreckungswirkung – weil dort viele Private Waffen besitzen -, dass dort die Kriminalitätsrate niedrig ist oder gibt es nach Ihrer Einschätzung auch andere Gründe dafür?
Zweifellos üben mutmaßlich bewaffnete Opfer eine abschreckende Wirkung auf mögliche Täter aus. Die sind in aller Regel an leichter Beute, nicht aber an einer Schießerei interessiert. Ich glaube allerdings nicht, dass dieser Punkt im Fall der Schweiz eine große Rolle spielt (zum Beispiel in Israel schaut das ganz anders aus). Mir scheinen die Schweizer ein sehr ruhiges, friedliches Volk zu sein, das nicht zu Gewaltausbrüchen neigt – weder in kriegerischer noch in krimineller Hinsicht. Das hohe Wohlstandsniveau und die allgemeine Zufriedenheit mit einem gut funktionierenden Gemeinwesen dürften da schon mehr Bedeutung haben.
Kann man daraus schließen, dass das Kriminalitätsniveau in einer Gesellschaft also mehr ein Abbild der Gesellschaft selbst ist als der Menge an und der Art von Waffen, die die Bürger besitzen?
Ich glaube, dass es da einen Zusammenhang gibt. In einer liberalen Gesellschaft mit hohem Wohlstandsniveau gibt es einerseits wenig Aggression; andererseits ist es allgemein akzeptiert, dass jedermann zum Waffenbesitz berechtigt ist. Warum auch nicht, es gibt ja auch so gut wie keinen Missbrauch mit Waffen in den Händen dazu berechtigter Privatpersonen.
Mir scheint eine restriktive Waffengesetzgebung jedenfalls ein Paradebeispiel für eine Interventionsspirale zu sein. Einerseits wird ein rigoroses Überwachungssystem etabliert, das Polizeiressourcen bindet (die für die Kriminalitätsbekämpfung also nicht mehr zur Verfügung stehen), andererseits werden Gewaltkriminelle ermutigt, zur Tat zu schreiten, was die Gesellschaft insgesamt gewalttätiger macht. Am Ende wird der erhöhten Kriminalität mit einer weiteren Aufblähung des (Polizei-)Staates Rechnung getragen, die zu finanzieren wieder die Aufgabe der rechtschaffenen Bürger ist.
Was schlagen Sie in puncto Waffenbesitz konkret vor?
Grundsätzlich trägt derjenige, der die Freiheit einzuschränken beabsichtigt (i. d. R. der Staat), die Beweislast für die Begründung, warum das notwendig ist. Wer dagegen auf seiner Freiheit besteht, bedarf dafür keiner Rechtfertigung. Im Falle erwachsener, mündiger und unbescholtener Bürger dürfte es schwerfallen, einen plausiblen Grund für ein Waffenverbot zu finden. Um also auf Ihre Frage zu antworten: Bürgern, die keinerlei Anlass dafür geben, dass von ihnen ein Waffenmissbrauch zu erwarten ist, darf das Recht auf Waffenbesitz nicht verweigert werden. Die bloße, theoretische Möglichkeit eines Missbrauchs, liefert jedenfalls keine belastbare Grundlage für ein Verbot. Nicht umsonst lautet ein alter lateinischer Grundsatz: „Abusus non tollit usum“ (Missbrauch hebt den [rechten] Gebrauch nicht auf).
Und wie weiter oben bereits ausgeführt: Die innere Sicherheit eines Landes wird von einer starken Verbreitung von Waffen in den Händen gut beleumundeter Privatpersonen nicht nur nicht gefährdet, sondern sogar günstig beeinflusst.
Vielen Dank, Herr Tögel.
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Das Interview wurde im Dezember 2017 per e-mail geführt. Die Fragen stellte Andreas Marquart.